Moore als Archive der atmosphärischen Deposition

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Unsere umfangreichen Untersuchungen einer Vielzahl von Mooren als Archive atmosphärischer Deposition in den letzten Jahrzehnten haben einen wichtigen Beitrag zu einem besseren Verständnis der Geochemie v.a. von Blei geleistet.

  

Verbesserung der analytischen Methoden für Blei und seine Isotope

Wir haben empfindliche, schnelle und zerstörungsfreie Methoden entwickelt, die es uns ermöglichen, Pb direkt im Torf (Cheburkin und Shotyk 1996, 1999) und im Glührückstand der Torfe (Weiss et al. 1999a) anhand der Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) zu messen. Methoden, die es uns mit Hilfe eines Hochdruck-Mikrowellen-Autoklaven erlauben, Torfe vollständig aufzuschließen und den Bleigehalt in diesen Aufschlusslösungen mit der Sektorfeld-Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-SMS) (Krachler et al. 2002a) zu bestimmen, folgten. Weiter wurde ein Verfahren entwickelt, um die Isotopenzusammensetzung von Blei (206Pb, 207Pb, 208Pb) direkt in den Aufschlusslösungen zu messen, ohne vorher eine chemische Trennung von Blei durchführen zu müssen. Die Genauigkeit dieses Verfahrens liegt bei 0,05 % für 206Pb/207Pb (Krachler et al. 2004a,b). Da sich das Verhältnis Pb/Ti als ein wichtiger Parameter der Unterscheidung zwischen natürlichem und anthropogenem Blei in Torfen herauskristallisiert hat, entwickelten wir auch für Titan eine Methode (RFA), die uns schnell, empfindlich und zerstörungsfrei den Gehalt direkt im Torf bestimmen läßt (Cheburkin und Shotyk 2005).

 

Klärung der Frage, ob sich Pb nach seiner Ablagerung auf der Mooroberfläche immobil verhält

Lange war nicht klar, ob ombrotrophe Moore überhaupt geeignete Archive der atmosphärischen Pb-Deposition sind. Wir konnten in den letzten Jahren dann vier überzeugende Beweise liefern, die zeigen, dass sich Pb nach seiner Ablagerung auf den Mooren immobil verhält und nicht verlagert wird.

  • Zwei Bohrkerne aus dem Schweizer Jura, die anhand von 210Pb altersdatiert waren, zeigen eine gute Übereinstimmung der Alters-Tiefen-Beziehung mit der Anwesenheit von Radionukliden (241Am) und botanischen chronostratigraphischen Markern (Cannabis Pollenkörner) (Appleby et al. 1997).
  • Anhand von Analysen mit der Thermionen-Massenspektrometrie (TIMS), die die Bestimmung der Bleiisotopenzusammensetzung in altersdatierten Torfprofilen (mit 210Pb) erlaubt, konnte gezeigt werden, dass es zu keiner bedeutenden nachträglichen Verlagerung von Pb kommt (Shotyk 1995, Shotyk et al. 1997).
  • Der Verlauf der Pb-Isotopenverhältnisse von Torfprofilen dreier anderer Schweizer Moore, die ebenfalls anhand von 210Pb altersdatiert waren, stimmt sehr gut überein (Weiss et al. 1999a).
  • Als unabhängige Überprüfung der Immobilitäts-Hypothese wurde die Isotopenzusammensetzung von Blei in herbarisierten Torfmoosen aus der Schweiz bestimmt. Der zeitliche Verlauf, der sich aus den herbarisierten Moosen ergeben hat, stimmt bemerkenswert gut mit dem aus den Torfprofilen überein (Weiss et al. 1999b).
  • Nachdem die Eignung der ombrotrophen Moore als Archive der atmosphärischen Deposition unumstößlich etabliert war, konnten wir die sich ändernden Raten und Quellen des atmosphärischen Blei für die letzten 14500 Jahre anhand eines Bohrkerns aus dem Etang de la Gruère (Schweizer Jura), rekonstruieren (Shotyk et al. 1998, 2001).

Entwicklung eines Protokolls für die standardisierte Nutzung von Torfprofilen als Archive atmosphärischer Spurenelemente

Viele der bisherigen Untersuchungen basieren auf einzelnen Bohrkernen. Wir untersuchten deshalb noch einen zweiten Bohrkern aus dem Etang de la Gruère detailliert im Hinblick auf eine genaue Altersdatierung (210Pb) und eine präzise Messung der Isotopenzusammensetzung (TIMS) (Shotyk et al. 2002). Kleinere Unterschiede zwischen den Bohrkernen konnten mit der verschiedenen Kompression bei der Entnahme der Bohrkerne und mit mangelhafter Sorgfalt beim Schneiden der Bohrkerne in Scheiben erklärt werden. Zur besseren Vergleichbarkeit haben wir ein Protokoll erstellt, das die Entnahme von Bohrkernen, die Probenvorbereitung, die Altersdatierung und die Erstellung von Modellen zur Alters-Tiefen-Beziehung durch verschiedene Personen, standardisieren soll (Givelet et al. 2004).

 

Hochaufgelöste Rekonstruktion atmosphärischen Bleis anhand von Torfprofilen aus Mooren

Ein Bohrkern aus dem Lindow Bog, Manchester, England, wurde nach dem oben genannten Protokoll bearbeitet (Le Roux et al. 2004). Wir konnten nicht nur detailliert die atmosphärische Bleiverschmutzung während des Mittelalters und des Industriezeitalters rekonstruieren, sondern wir konnten auch zeigen, dass die atmosphärische Bleiverschmutzung in Großbritannien der Ankunft der Römer zeitlich um mehrere Jahrhunderte vorausgeht. Die atmosphärische Bleiverschmutzung der Römerzeit wurde also durch den Bergbau und die Verhüttung englischer Erze verursacht und nicht, wie bisher geglaubt, durch den Abbau und die Verhüttung von spanischen Erzen (Rosman et al. 1997).

 

Die Bedeutungvon verbleitem Benzin im Vergleich zu anderen industriellen Bleiquellen

An altersdatierten Bohrkernen (210Pb und 14C Bomb Pulse Curve) aus Dänemark und den Färöer-Inseln untersuchten wir das Inventar an anthropogenem Blei (berechnet anhand von Ti als konservatives lithogenes Referenzelement) und die Isotopenzusammensetzung von Pb. Das Maximum des anthropogenen Pb-Eintrags befand sich in Torfschichten, die den erhöhten Einträgen aufgrund von verbleitem Benzin (1979) zeitlich um 25 Jahre vorausgehen (Shotyk et al. 2003, 2005). In beiden Fällen waren auch in den Torfschichten mit maximalen Pb-Konzentrationen, maximale Konzentrationen an Quecksilber (Hg), Arsen (As) und Schwefel vorhanden. Die Verbrennung von Kohle und andere industrielle Emissionen waren wohl Ursache dieser atmosphärischen Verschmutzung. Die heutige Meinung, die atmosphärische Bleiverschmutzung in Europa sei einzig durch verbleites Benzin als Hauptquelle verursacht, muß also neu überdacht werden. Blei wurde seit dem Beginn der Zivilisation genutzt, verbleites Benzin aber erst zu einem sehr späten Zeitpunkt in der Geschichte der Bleiproduktion und -nutzung (AD 1923). Unsere Studien zeigen, daß in der ländlichen Schweiz die Hälfte des in die Umwelt freigesetzten anthropogenen Blei vor Beginn der Industriellen Revolution emittiert wurde und sogar 80 % vor der Einführung von verbleitem Benzin (Shotyk und Le Roux 2005). Vor allem in Ländern wie Deutschland, in denen der mittelalterlicher Bleibergbau sehr intensiv war, übertrifft die Belastung des anthropogenen Blei, das während des Mittelalters freigesetzt wurde, bei weitem den mehr rezenten und viel kürzeren Einfluss von Blei aus Benzin (Kempter 1996, Kempter et al. 1997).

 

Geochemische Untersuchungen von Torfmoosen (Neue Ergebnisse: DFG SH/894-1 und -2)

Torfmoose von der Oberfläche acht verschiedener ombrotropher Moore aus fünf verschiedenen Regionen Deutschlands und Belgiens wurden über 2 Vegetationsperioden hinweg alle 6 Wochen bis 3 Monate gesammelt und geochemisch (energiedispersive Röntgenfluoreszenzanalyse, ca. 20 verschiedene Elemente, am Institut für Physik der Universität Hohenheim) untersucht. Die berechneten Zurückhalteraten der Torfmoose haben wir mit Messungen der atmosphärischen Einträge in diese Regionen (bulk und wet-only Meßgeräte), verglichen. Wir haben dabei ausführlich die Ungenauigkeiten unserer Studien aber auch die der Messungen des atmosphärischen Eintrags betrachtet und die Schwierigkeiten bei einem solchen Vergleich aufgezeigt. Vor allem der Habitus der Moospflanzen, deren Trockengewicht, das jährliche Höhenwachstum und die Individuenanzahl pro Flächeneinheit, scheinen Faktoren zu sein, die die Elementgehalte von Torfmoosen beeinflussen. Das jährliche Höhenwachstum der Torfmoose variierte kleinsträumig sehr stark, selbst innerhalb der gleichen Art im selben Moor. Wachstumsmessungen, die nicht direkt an den geochemisch untersuchten Proben durchgeführt werden, können das tatsächliche Alter der gesammelten Proben nur grob abschätzen. Dies führt zu großen Ungenauigkeiten bei der Berechnung der Akkumulationsrate der Torfmoose (Kempter und Frenzel 2007 und 2008).

 

Torfmoose aus Herbarien als Archive einer vergangenen Bleideposition

Anhand von herbarisierten Exemplaren der Gattung Sphagnum sowie von frisch an der Mooroberfläche gesammelten Proben, haben wir die Isotopenzusammensetzung der heutigen und vergangenen Bleideposition in der Schweiz ermittelt (Weiss et al. 1999b). Es zeigte sich, daß die Isotopie des Pb, das von der Moosoberfläche entfernt wurde, der ähnlich war, die in der Pflanze bestimmt wurde. Weder Maßnahmen zur Konservierung der Pflanzen, noch der Staub, dem die Exemplare ausgesetzt waren, hatten die Isotopenzusammensetzung beeinflusst. Die Veränderungen in den Isotopenverhältnissen zwischen Torfmoosen, die während der letzten 130 Jahre gesammelt wurden, waren signifikant größer, als die zwischen und unter den Arten, die zur gleichen Zeit gesammelt wurden. Die Isotopenzusammensetzung der herbarisierten Torfmoose kann uns also helfen, die vorherrschenden Quellen anthropogenen atmosphärischen Bleis aufzudecken (Kohleverbrennung, Abfallverbrennung, verbleites Benzin). Die Ergebnisse dieser Studie stimmen sehr gut mit anderen Untersuchungen an herbarisierten Torfmoosen aus Europa (Bacon et al. 1996, Farmer et al. 2002) und mit denen anderer Archive aus der Schweiz (Torf, Sedimente, Eis) überein.

 

Literatur