Moore als Archive der atmosphärischen Deposition

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Entgegen einer weit verbreiteten Annahme, eine globale Luftverschmutzung durch Blei wäre größtenteils erst im 20. Jahrhundert, vorwiegend durch die Einführung von verbleitem Benzin erfolgt, war Blei schon ein in der Vergangenheit wichtiger von der Industrie genutzter Stoff. In Deutschland war es speziell der Mittelalterliche Silberbergbau, der Bleierze nutzte und somit eine bedeutende zusätzliche Quelle für atmosphärisches Blei darstellte. Anhand der Ergebnisse bisheriger Untersuchungen und einer Dauer des Mittelalterlichen Bergbaus von mehr als 500 Jahren, lässt sich die Hypothese aufstellen, dass diese Luftverschmutzung in der Vergangenheit von einer größeren Bedeutung für die Umwelt gewesen sein könnte, als die durch bleihaltiges Benzin, die auf "nur" 7 Jahrzehnte beschränkt war. Sollte dies zutreffen, dann besteht die Gefahr, daß bei einer Abschätzung der Belastung der Umwelt ausschließlich mit Daten des 20. Jahrhunderts, die wirkliche Last, die terrestrische und aquatische Ökosysteme zu tragen haben, deutlich unterschätzt wird.

Um die kumulative Anreicherung des anthropogenen Blei für Deutschland abzuschätzen, bedarf es somit eines geeigneten Archivs, das mindestens bis zur Römerzeit zurückreicht. Ombrotrophe Moore, mit denen wir uns beschäftigen, haben sich in diesem Zusammenhang als ausgezeichnete Archive der atmosphärischen Pb-Deposition herausgestellt. Und auch in Deutschland finden sich eine Reihe solcher Moore, deren Torfablagerungen so weit in der Zeit zurückreichen, dass nicht nur eine äußerst genaue Chronologie der atmosphärischen Blei-Deposition seit der Antike aufgestellt werden kann, sondern es zudem gelingen sollte, die kumulative Belastung der Umwelt durch Blei zu ermitteln.

Bei der Verhüttung von deutschen Bleierzen während des Mittelalterlichen Bergbaus, ist es auf dem Wege des Schmelzens von Erzen zwangsläufig auch zur Freisetzung von Silber, Antimon und Cadmium gekommen. Dies bedeutet, dass neben Blei auch alle diese potentiell toxischen Schwermetalle über Hunderte von Jahren in die Umwelt freigesetzt wurden.

Eines unsere Ziele ist es, anhand von Regenwassermooren, den wirklichen kumulativen, also in der Summe gesehenen, Einfluss der anthropogenen Emissionen an Blei, Silber, Cadmium und Antimon in Deutschland und ihre Bedeutung für Boden, Wasser, Luft und Sediment seit dem Altertum bis zum heutigen Tag zu quantifizieren. Weiter wollen wir die Quellen des "antiken" und "modernen Bleis" mit Hilfe von verschiedenen Blei-Isotopen aufspüren. Neuere Datierungsmethoden, die eine genaue Alterszuordnung der einzelnen Torfschichten im Rahmen der letzten 200 Jahre erlauben, in Verbindung mit der Bearbeitung einer Vielzahl von Mooren verteilt über Deutschland und später auch Europa, werden es ermöglichen, die Auswirkungen umweltpolitischer Maßnahmen (z.B. die Einführung von bleifreiem Benzin) der vergangenen Jahrzehnte zu verfolgen. Diese Untersuchungen eröffnen zudem die Möglichkeit, Modelle des atmosphärischen Transportes und der Deposition zu validieren. Und nicht zuletzt läßt sich auf diesem Wege die Umweltqualität in den verschiedenen Regionen Deutschlands bzw. Europas charakterisieren.