Moore als Archive der atmosphärischen Deposition

- Vergangene Projekte/Stand der Forschung -

Ombrotrophe Moore

Ombrotrophe Moore wurden in den letzten Jahren immer wieder genutzt, um die sich ändernden Raten atmosphärischer Einträge in der Vergangenheit zu rekonstruieren. Regenwassermoore sind für diese Fragestellung besonders geeignet, da die ombrotrophen Torfschichten vom mineralischen Grund- und Oberflächenwasser völlig isoliert sind und ihre Nährstoffe allein aus dem atmosphärischen Eintrag erhalten. Nach ihrer Deposition auf der Mooroberfläche verhalten sich die vielen für die Umwelt interessanten Elemente innerhalb des Torfkörpers natürlich nicht einheitlich. Faktoren, die einen Einfluß auf die Geochemie der Torfe haben wie etwa eine potentielle Mobilität innerhalb des Torfkörpers aufgrund des sauren Milieus, müssen deshalb für jedes Element gesondert betrachtet werden. Bis heute konnte schon für eine Vielzahl von Elementen die Eignung, eine veränderte atmosphärische Deposition der Vergangenheit widerzuspiegeln, nachgewiesen oder zumindest vermutet werden. Alle diese Elemente werden nach ihrer Deposition auf der Mooroberfläche innerhalb des Torfkörpers nicht mehr verlagert. Dazu gehören: Pb (Shotyk et al. 1997, Le Roux et al. 2005, Vile et al. 1999, Weiss et al. 1999a, Kempter und Frenzel 2000), Hg (Benoit et al. 1998, Martínez Cortizas et al. 1999, Roos-Barraclough et al. 2003), Cu (Kempter und Frenzel 2000, Nieminen et al. 2002, Mighall et al. 2002, Rausch et al. 2005), V, Cr, Ni (Krachler et al. 2003a), die "Rare Earth Elements" (REE) (Krachler et al. 2003b), Sb (Shotyk et al. 2004) Mo, U und nicht zuletzt Ag und Tl (Krachler und Shotyk 2004, Shotyk und Krachler 2004). Blei wird in ungestörten Hochmooren so gut fixiert, daß die Genauigkeit der Rekonstruktion weitgehend unabhängig von den innerhalb des Moores stattfindenden Prozessen ist. Der Art der Probensammlung, -aufarbeitung und der Analyse muß mehr Beachtung geschenkt werden (Givelet et al. 2004), wenn eine Vergleichbarkeit der Torfbohrkerne aus verschiedenen Laboratorien gewährleistet sein soll. Generell stellt sich nun aber die Frage, wie genau ein oder zwei Bohrkerne (Stichproben) eines Moores die Geschichte des atmosphärischen Eintrags in diese Region widerspiegeln (siehe auch Bindler et al. 2004). Wenn wir also die Zuverlässigkeit der Interpretation geochemischer Analysen älterer Torfschichten im Hinblick auf die atmosphärische Deposition der Vergangenheit weiter verbessern möchten, dann ist es dringend notwendig, die Schnittstelle zwischen Atmosphäre und Torfablagerung stärker in den Mittelpunkt der Forschung zu rücken. Diese Schnittstelle bilden die Torfmoose (Sphagnidae, mit der Gattung Sphagnum), die das Ausgangsmaterial für die Torfbildung in ombrotrophen Mooren Europas sind.

 

Torfmoose, die Schnittstelle Atmosphäre/Torf

Um mögliche Interaktionen der Torfmoose mit der Atmosphäre zu verstehen, verlangen erstens die generellen Wege der Deposition und zweitens die Mooroberfläche unsere Aufmerksamkeit. Verunreinigungen werden auf der Mooroberfläche durch nasse Deposition (Regen, Nieselregen, Schnee), trockene Deposition und feuchte Deposition (Wolken, Nebel) abgelagert. Der Beitrag dieser drei Wege der atmosphärischen Deposition an der Gesamtdeposition variiert dabei abhängig von der Häufigkeit und Intensität der Regen-, Schnee- oder Nebelereignisse sowie der Exposition der Rezeptoroberfläche, ihrer Größe sowie ihrer Rauhheit. Die trockene Deposition ist z.B. stark von der Konzentration der Verunreinigung in der Luft und von den turbulenten Transportprozessen in der Grenzschicht abhängig sowie von der chemischen und physikalischen Natur des abgelagerten Stoffes und der Fähigkeit der Oberfläche Gase und Partikel einzufangen (Erisman et al. 1993, 1996). Diese Parameter werden am Standort durch die Partikelgröße, die Windgeschwindigkeit, die Luftfeuchtigkeit, die Ausdehnung der Oberfläche (Blattflächenindex, Index der Vegetationshöhe) und die Rauhheit der Oberfläche modifiziert (Zechmeister 1994). Da die europäischen Regenwassermoore häufig eine ausgeprägte Mikrotopographie haben und auch im Vorkommen der Torfmoosarten nicht einheitlich sind, führt dies zu einer deutlichen Ausprägung von Mikrohabitaten mit speziellen Standortseigenschaften, auch in Bezug auf die Deposition (Beschaffenheit des Rezeptors "Mooroberfläche", Topographie und Vegetationsstruktur der Umgebung, die Exposition zur Hauptwindrichtung, Windgeschwindigkeit am Standort, jährliche Regenmenge). Die Effektivität der Torfmoose, die abgelagerten Stoffe einzufangen, ist dabei zum einen von der Stämmchendichte (Individuenzahl pro Flächeneinheit) und zum anderen von der Wachstumsrate der Moose abhängig. Hierin unterscheiden sich aber die Mikro-habitate deutlich voneinander (Pakarinen 1978). So fangen z.B. Bulte signifikant mehr Partikel ein, als dies Schlenken tun (Oldfield et al. 1979, Norton et al. 1997). Latschengebüsche in der Umgebung vergrößern, durch ihre ungleichmäßig Verteilung auf dem Moor und ihre unterschiedliche Höhe, den Eintrag an Stoffen in die Moore deutlich (Schauffler et al. 1996).

 

Die Bleiisotope

Auch die Menge an eingetragenem Blei variiert somit auf den Mooren kleinräumig. Demzufolge sind Messungen von Pb-Konzentrationen in Pflanzen oder an Pflanzenoberflächen, um die Auswirkungen der menschlichen Aktivität zu ermitteln, einigen Einschränkungen unterworfen (Herpin et al. 1997). Die Isotope des abgelagerten Bleis zeigen dagegen nur eine geringe räumliche Variabilität (Carignan und Gariépy 1995). Die Bestimmung der stabilen Bleiisotope 206Pb, 207Pb und 208Pb ermöglicht somit, neben der Abgrenzung anthropogener von natürlichen Bleiquellen, auch das Aufspüren der Hauptverursacher. Dies basiert auf der Grundlage, daß sich die Uran- und Thorium-Konzentrationen der Gesteine aus denen sich die Bleierze gebildet haben, unterscheiden. Die Isotopenzusammensetzung der Bleierze ist deshalb auch verschieden und jeder Bleierzablagerung kann eine typische isotopische Signatur zugeordnet werden. Blei, das als Alkyl-Blei dem Benzin beigesetzt wurde, weist also die gleiche isotopische Signatur auf, wie die Bleierze, aus denen das Alkyl-Blei gewonnen wurde und unterscheidet sich deutlich von der des natürlichen Bleis in atmosphärischem Bodenstaub. Auch das Blei, das in Kohle oder Abfallprodukten enthalten ist, spiegelt die Isotopenzusammensetzung der ursprünglichen Bleiquelle wider (Bacon 2002). 210Pb wird durch den Zerfall des Edelgases 222Rn von der Lithosphäre in die Atmosphäre freigesetzt. Ionisierte 210Pb-Atome lagern sich dann an Aerosole oder Staubpartikel an, die entweder per Sedimentation zur Erde gelangen oder aus der Atmosphäre ausgewaschen werden. Die Atmosphäre emittiert somit kontinuierlich 210Pb (genannt "unsupported" 210Pb) an die Erdoberfläche und die Wasseroberflächen. Dieser Prozeß ist unabhängig von den industriellen Bleiemissionen und ermöglicht es, die Variabilität des Eintrags natürlicher atmosphärischer Bodenstaubpartikel (feine Partikel, mittlerer Durchmesser 0,5 µm, Winkler et al. 1998) zu bestimmen.

 

Beryllium-7 (7Be) als Marker für den Jahreszuwachs von Torfmoosen

7Be ist ein kosmogenes Be-Isotop mit einer Halbwertszeit von 53,3 Tagen. Es erreicht die untere Troposphäre durch atmosphärische Zirkulationsprozesse und wird hier hauptsächlich durch den Regen ausgewaschen (Ishikawa et al. 1995). Die Deposition aus der Atmosphäre sollte mehr oder weniger konstant sein. Allerdings steigt die 7Be-Aktivität signifikant mit zunehmender Höhe üNN an, aufgrund des normalerweise damit einhergehenden Anstiegs der Niederschlagsmenge, (Salisbury und Cartwright 2005). Vergleiche der 7Be-Aktivität in Flechten mit den atmosphärischen Depositionsraten bestätigen, daß diese als quantitative Monitoringorganismen verwendet werden können (Kirchner und Daillant 2002).